glatt

Beim arabischen Imbiss an der Ecke ist Hochbetrieb. Alle reden durcheinander, irgendwie bekommt jeder was er bestellt hat, in der Ecke an der Tür streitet sich ein Paar mit reduzierter Stimme über alles und nichts und links vor dem Tresen sitzt ein Borussia-Fan und will zahlen. Ein Mitarbeiter kommt um den Tresen, kassiert, man kennt sich. Das Aufstehen fällt dem Gast schwer, die Krücken stehen zwischen Stuhl und Wand eingeklemmt, die Jacke ist dick gefüttert und im Wege und eine Spastik in den Armen macht es nicht leichter. Komm, ich helf Dir, sagt der Tresenmann. Doch bevor er das darf, muss geklärt werden, für welchen Verein er ist. Logisch. Da die Antwort stimmt, darf er helfen. Aber nur beim Aufstehen. Der Weg zur Tür ist nicht lang, das streitende Paar unterbricht sich kurz und macht Platz. Doch die Tür geht schwer. Jemand drückt sie auf. Und der Tresenmann beschließt, ich komme noch mit zum Bus, draußen ist es glatt. Ein kurzer Blick über den Tresen zum Chef, Chef nickt. Das sei Unsinn, sagt der Gast, schon auf den spiegelglatten Stufen stehend, das könne er allein. Logisch, hört man noch, bevor die Tür zugeht, ich muss nur Zigaretten holen.

Achso, denke ich und habe vergessen, was ich bestellen wollte.

kühl

Bei deutlichen Minusgraden sitzt an der Bushaltestelle eine Frau und macht sich Notizen. Ein Rentner geht vorbei und bemerkt, det is doch zu kalt für Schullarbeiten. Ja, sagt sie, aber zu Hause war keine Zeit und das müsse noch fertig werden. Naja, is ja jut, sagt er mit prüfendem Blick, da behält man wenichstens n kühl’n Kopp. Den Verweis auf ihre Wollmütze hört er im Weggehen schon nicht mehr. Ist auch nicht so wichtig.

Wurm

In der Gemüseecke des Supermarkts steht ein Mann, der augenscheinlich auf der Straße lebt. Es ist kalt draußen, er hat mehrere Mäntel übereinander, auch mehrere Mützen auf dem Kopf und diverse Taschen dabei. Gründlich schaut er sich die Äpfel an. Dann findet er ein angeschlagenes Exemplar, das wohl schon mal über den Boden gerollt ist, so wie es aussieht. Er nimmt den Apfel und fragt eine vorbeieilende Angestellte, ob er den haben kann. Wiiee, haben, fragt die Frau verständnislos. Nun ja, er sei ja doch angeschlagen, der Apfel, und den würd doch keiner mehr kaufen, erklärt der Mann ruhig. Die Verkäuferin regt sich auf, wo kämen wir denn da hin usw., nimmt ihm ruppig den Apfel aus der Hand und schlägt beim Zurücklegen gleich noch ein paar weitere Äpfel an. Na jut, sagt der Mann mit milder Stimme, denn buddel ick den Wurm wieda ein.

Ein paar junge Leute überlegen noch immer, was er wohl genau gemeint haben könnte mit seiner Antwort, nachdem sie ihm drei Äpfel geschenkt haben. Gekaufte, natürlich.

vorweihnachtlich

Der Bus ist voll mit nassgeregneten Menschen mit Tüten, Paketen, Päckchen – Vorweihnachtszeit in Berlin. Ein paar Stehplätze gibt es noch, die Türen schließen sich, der Bus fährt langsam an. Bremst wieder, die Fahrertür geht noch mal auf, drei junge Typen stürzen rein. Naß und hektisch drängen sie an Fahrer und Fahrgästen vorbei. Der Busfahrer brummt beim Türenschließen: Und wie sagt man… Da dreht der letzte der drei Zugestiegenen sich um, denkt kurz nach und sagt: Voll korrekt, Alter. Der Fahrer setzt den Bus in Bewegung und murmelt: Det will ick meinen.

dörflich

Morgens kurz vor acht geht sie mit dem Hund raus, einmal um den Wasserturm, die übliche Strecke. Auf dem Rückweg hat der Erdbeer-Stand schon offen und sie ordert ein Kilo. Ein Blick ins Portemonnaie – es reicht nicht. Ejal, sagt der Erdbeer-Mann, denn kommste später vorbei und zahlst dann. Da könne sie leider nicht, sie könnte höchstens ihren Mann vorbei schicken. Ob er ihren Namen oder Telefonnummer haben will – Nee, sagt er, nich nötich. Den erkenn ick doch am Hund.

Sonntach

Ein zierlicher alter Mann kommt zögernd in den Döner-Laden. Schaut sich suchend um, der Mann hinter der Theke fragt, ob er helfen kann. Ja, wat haben Sie denn hier, ist die Frage. Alles, was Sie da oben sehen können, lautet im freundlichen Ton der Bescheid. Kopf im Nacken, Augen zusammen gekniffen, schaut der Kunde nach oben. Schüttelt sachte den Kopf. Der Döner-Meister guckt sich das an, kommt rum und erklärt. Das ist Döner, dies ist türkische Pizza… dann legt er dem alten Herrn eine Hand auf die Schulter und sagt: Väterchen, wir haben auch Schnitzel im Brot. Soll ich Dir das machen? Ja, sagt der alte Mann, Schnitzel im Brot, det is jut. Während er sich einen Sitzplatz sucht, fragt der Döner-Meister, wie es mit einem Bierchen dazu wäre. Alkoholfrei hätten sie auch. Ja, sagt der alte Mann wieder, ja! Dit is ja wie Sonntach!

nach Hause fahren

In Braunschweig fragt eine junge Frau den Fahrer eines Fernbusses nach seinen Tarifen. Sie möchte nach Berlin und hat noch ca. 10€. Was nicht reicht. Wenn sie online gebucht hätte wäre es billiger, aber sie wäre doch auf Reisen und hätte gar keinen Internet-Zugang, aber so könne er wirklich nichts machen und es täte ihm Leid und das glaubt man ihm auch.
Die Menschen auf den ersten Sitzreihen im Bus hören den Dialog. Eine energische Frau auf Sitz 1 unterbricht ihr langes türkisches Gespräch mit der Nachbarin und fragt, um wie viel Geld es denn eigentlich geht. Was, so wenig? In zwei Sprachen werden dem Fahrer Münzen angeboten, die junge Frau vor dem Bus staunt, freut sich, was, das würden Sie wirklich tun? Offensichtlich, denn auch andere Fahrgäste zücken spontan ihr Geld. Die beiden Tibetischen Nonnen aus der zweiten Reihe fragen auf Englisch worum es geht und geben auch sofort etwas dazu. Kurz darauf steigt die Reisende strahlend in den Bus und umarmt alle die im Weg stehen, Danke, ich darf nach Hause fahren!
Der Fahrer sortiert die Unterlagen, murmelt Hier is wat los.

Bach to go

Kassenschlange in einem Musik- und Noten-Geschäft. Regennass warten vier Menschen auf den Kassierer, der hektisch hinter den Tresen geht. Der junge Mann der als erster in der Schlange steht, kauft eine Bachkantate. Der Kassierer nimmt das Geld, fuchtelt herum, sucht Wechselgeld, schaut hier und da hin, würdigt seine Kunden dabei keines Blickes, gibt mit Zagen und Seufzen sehr kleines Kleingeld raus und fragt mit etwas vorwurfsvollem Ton: „Möchten Sie eine Tüte?“

„Nein danke“, antwortet der junge Mann ruhig und schaut den Kassierer an „ich singe es gleich.“

Der Mann an der Kasse schaut zum ersten Mal hoch während sein Kunde den Laden verlässt. Die Kassenschlange kichert Minuten später immer noch.

Was Sprache macht

Kantinenschlange Deutsches Theater, Dienstagmittag. Anstatt zu bezahlen, fängt die lockige Kundin eine Debatte über das angeschriebene Menü an. Dort steht: Schweinebraten mit Klöße. Das müßte doch bitte „mit Klößen“ heißen, das sei doch ein Akkusativ, nn, mit KlößeN!, betont die Kundin. Die Kassiererin lächelt milde. Und wenn das jetzt um sich greife, schließlich sei das Deutsche Theater doch ein Vorbild, Deutsches Theater!, und das müsse man sich doch mal klar machen, man hätte doch eine Verantwortung! Die Kassenschlange wird unruhig, von Grammatik werde man schließlich nicht satt und man nähme die Klöße auch ohne nn. Die Kassiererin macht hmm und guckt und guckt noch mal auf die Tafel und befindet: Najut, wenn et Ihnen so stört.

Wachsen und Gedeihen

Unzweifelhaft kommt jetzt der Frühling. Menschen mit Garten planen und pflanzen für das kommende Jahr. Es wird gejätet und gesät,  die Stauden des letzten Jahres begutachtet, geschnitten und gedüngt.

Die Analogien zum persönlichen Wachstum, zu Wandel und möglicherweise zu einem Aufbruch zu etwas Neuem liegen auf der Hand.

Wir bieten Ihnen Workshops als möglichen Dünger für Ihre Vorhaben, damit es ein blühendes und fruchtbares Jahr wird. Unsere Seminarangebote finden Sie rechts in der Spalte.