Kann was

Mit Stöpseln in den Ohren, Maske vor dem Gesicht und Mütze auf dem Kopf sitze ich in der S-Bahn und höre irgendwas. Will nichts mitkriegen, will nicht hören, nicht sehen, nicht reden, nicht riechen, aber natürlich funktioniert das nicht wirklich. Nächster Bahnhof, Türen auf, ein Mann rein, Türen zu. Nicht sehen, geht nicht. Er nestelt herum, ein Handy, ein kleiner Lautsprecher, eine leere Pappröhre, in der mal Chips waren. Einen Beat in der linken Hand, im rechten Handteller das Handy, darüber in den Fingern das Pappdings, fängt er an, einen Rap in die Röhre zu singen. Ich schaue richtig auf, nehme die Stöpsel raus und bin fassungslos. Er chantet über die Masken, die Traurigkeit der Menschen, die Angst und die Aussichten. Gute Reime, tolle Stimme, leise und klar und verstärkt durch die Röhre, das will ich alles hören und krame verschämt Geld raus. Sein Blick streift mich, nächste Strophe, alle sind für sich und keiner schaut sich an und die Frau in der schwarzen Hose, die sieht, dass ich was kann…Ja! Absolut! Ich nicke vorsichtig, freue mich, fühle mich gesehen. Als er fertig ist und rumgeht, schauen wir uns sehr kurz an, er kriegt das Geld, ich bemühe mich, mich dafür nicht zu schämen, doch er ist Profi, danke. Er steigt aus und ich habe ein großes Geschenk bekommen. Da hat sich ein Poet einen Reim auf mich gemacht, was für ein Tag.

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